Wie der Nebel

Ich habe deine Übertretungen getilgt wie einen Nebel und deine Sünden wie eine Wolke: Kehre um zu mir, denn ich werde dich erlösen! (Jes 44,22)

 

So heißt es in der Tageslosung für den 5. September 2023. Gott spricht dort zu seinem Volk Israel, versichert es seiner Güte und Barmherzigkeit und ruft es zur Umkehr, ruft es zu sich: Kehre um zu mir, denn bei mir ist Erlösung!

Er spricht in einer Weise, wie es in der Bibel ganz oft geschieht: Er spricht zu einem Volk wie zu einer Person. Ein Mann steht für ein ganzes Volk, ein Volk wird angeredet wie ein Mann - das gibt es oft in den biblischen Schriften. Auf diese Weise stellen sich uns diese Texte, die göttlichen Worte in den Weg: Du bist gemeint! Es ist beides zugleich, eine Geschichte von Jenen damals und Deine Geschichte. Dadurch wird diese Trennlinie, die Jahrhunderte und Jahrtausende, die wir gerne dazwischenschieben, durchbrochen; es ist (damals wie heute) die Geschichte Gottes mit uns Menschen, mit uns, mit Dir, mit mir ... 

Und? Schonmal durch den Nebel gegangen? Ich tilge deine Übertretungen wie einen Nebel, spricht Er dort durch den Propheten Jesaja. Wir kennen das alles, den Nebel, die düstere Wolkendecke, die Dunkelheit, und die Bilder passen: alles sieht anders aus. Wohlbekannte Orte tragen ein anderes Antlitz und vertraute Wege werden gespenstisch und unwirklich. Man fühlt sich getäuscht: War das so? War das hier? Ich habe das ganz anders in Erinnerung! Es müsste doch schon längst die Kreuzung kommen! Ist das der Baum? Da steht doch eigentlich ein Stromkasten ... 

Gestalten, Schritte und Stimmen wirken oft bedrohlicher als im Tageslicht, der Schein der Laterne ist nicht einladend, selbst auf weiter Fläche fühlt sich alles beengt an ... 

Jesajas Metapher trifft es meisterhaft, so ist es mit den Übertretungen und Sünden. Man ist wie im Nebel, man erkennt den Weg nicht mehr recht, das Vertrauen leidet enorm darunter, andere Personen sind fragwürdig, vertraute Stellen rufen Skepsis hervor, alles trügt einen, Lichter sind Irrlichter, Geister in der Dunkelheit. Alldas habe ich getilgt wie einen Nebel, sagt Er, Nebel, der sich auflöst, der dem Licht weicht und lauter bekannte und vertraute Orte und Wege freigibt. Andere Menschen werden nahbarer und wohlgesonnener, sie werden zu einer Gelegenheit, einander ins Gesicht zu sehen und zu lächeln, Lichter bedarf es keiner mehr, denn alles ist voller Tag.

Das gilt uns, das gilt Dir, das gilt mir; das gilt dem und der Einzelnen, das gilt allen, das gilt Israel, das gilt den Völkern, das gilt der Welt. Allen sei es zugerufen, damals wie heute, auf dass es ihnen zu Herzen gehen möge und sie umkehren zu Gott.

 



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