Verordnete Freude, die Arznei gegen den Trübsinn

 Freut euch allezeit und betet ohne Unterlass! (1Thess 5,16-17)


Angeordnete Freude ist erstmal etwas sehr Merkwürdiges. Sie kommt in der Bibel öfters vor, wie in dieser Stelle im Ersten Thessalonicherbrief, oder zuvor im Philipperbrief: Freut euch im Herrn allezeit; abermals sage ich: Freut euch! (Phil 4,4)

Ich habe mich beim Lesen solcher Stellen oft gefragt, wie das angehen kann. Wie kann man etwas wie Freude anordnen, befehlen oder gebieten? Denn so klingen diese Verse. Sie sind keine Empfehlungen, dass es besser und zuträglicher wäre, sich zu freuen, oder dergleichen, sondern es sind Aufrufe, Mahnungen und Gebote, die in einer Reihe mit lauter anderen Aufforderungen stehen. Nun kann man eine Gemeinschaft, einen Verein oder ein Team zu vielem auffordern und motivieren, man kann ihnen sagen, sie sollen sich anstrengen, man kann an Verbundenheit und Treue erinnern, um sie wieder enger zusammen zu schweißen, kann die Fähigkeiten einzelner Mitglieder hervorheben, um in ihnen wieder Kampfgeist zu wecken, kann Lob einbringen, um zum Weitermachen anzutreiben, und dergleichen mehr; aber ihnen sagen, dass sie sich freuen sollen? Klingt das nicht nach "Positivem Denken", nach Selbsttäuschung? Manch ein Leser von Paulus` Briefen wird vielleicht gedacht haben: Du kannst mir ja vieles abverlangen, anraten oder verordnen, der ich Teil dieser Gemeinde bin, aber dass ich mich zu freuen habe? Obgleich grade Leid und Verfolgung, Streitigkeiten und Sorgen drücken? Oder ist das einfach nur Redewendung, paulinische Eigenheit, etwas, dass man irgendwann einfach sagt und schreibt, wie das Amen am Ende des Textes?

Nein, es ist tatsächlich als ein bewusster Aufruf zu verstehen. Es gibt schonmal Sätze und Zeilen, die einfach dem Redefluss dienen sollen, die einfach hineinpassen und deshalb schreibt man sie wieder, oder die einfach eine Eigenart sind, etwas, das andere von einem kennen, und solche Sätze und Worte hat Paulus zweifelsohne auch. Dieser Aufruf zur Freude aber gehört nicht dazu. Wie ist das nun? Wir kennen es, dass man Menschen schonmal sagt "Jetzt freu dich doch mal! Deine miese Laune passt doch jetzt gar nicht, sie ist der Situation gar nicht angemessen!" - Aber hier? Die frühen, noch jungen christlichen Gemeinden hatten keinen guten Stand, wie wir wissen: sie waren ständig umkämpft und angefochten, von Innen durch Streitigkeiten und fehlende Struktur, von Außen durch religiöse und politische Gegner. Zwar gab es jene Dauerverfolgung nicht, wie manchmal angenommen wurde, aber trotzdem war die Gesamtsituation dieser neuen Gemeinschaft nicht sehr rosig. Christliche Gemeinden waren damals ständig in der Hab-Acht-Stellung. Viele der strengen Verordnungen bezüglich der Gemeindezucht und des Ausschlusses stammen von dorther. Brachte jemand eine andere Lehre als die der Apostel in die Gemeinschaft, drohte das noch junge Gewebe auseinanderzureißen, oder man vermutete in nonkonformen Personen Spione, sei es seitens des Staates, seitens der jüdischen Obrigkeit, oder seitens gnostischer Sekten.

In diese ganze Gemengelage, in dieses Befinden hinein spricht Paulus solche Sätze: "Freut euch! Seid frohen Herzens!" Der gleiche Verfasser, der in seinen Briefen davon schreibt, dass die große Trübsal noch kommen werde, dass die große Bedrängnis noch ausstehe, dass es noch schlimmer werden wird als jetzt, er schreibt seinen Adressaten, sie sollen sich freuen. Vom Durchhalten schreibt er natürlich auch, vom Gebet, von der Treue, auch zu loben versteht er, aber eben auch von der Freude immer wieder. Und dass sie so in einer Reihe mit den anderen Disziplinen und Tugenden steht, die er immer wieder anmahnt, bedeutet nichts anderes, alsdass er sie genau so einordnet: er will seine Leser und Schüler darin unterrichten und sie dazu anhalten, sich in Freude zu üben. Sie soll zum Wesen dieser Gemeinden und Gemeindeglieder gehören, wie Sanftmut, Barmherzigkeit, Freundlichkeit, und dergleichen mehr. Diese Eigenschaften sind kein Selbstzweck, keine spirituelle Methode, sondern sind in der christlichen Lehre immer aus der Beziehung heraus zu begreifen: alle Liebe (um mal das Höchste zu nehmen) gründet in der Liebe Gottes zu uns, Er selbst ist sie, schreibt Johannes sogar (1Joh 4,8). So ist es auch mit allem anderen, letztlich ist alles unauflöslich miteinander verbunden. Die Tugenden sind keine spirituellen Klassen zur Selbstvervollkommnung, sondern sie werden aus einer Beziehung geboren und nähren sich aus dieser. Trübsinn wird nicht durch Frohsinn gelindert, das sind beides nur Begriffe, die man ersetzt; Trübsinn wird durch Beistand gelindert, durch Anteilnahme und Mitgefühl, durch Schweigen und Worte an richtiger Stelle, durch den Blick auf das Ziel des mühsamen Weges, durch die Liebe, die alldas Schwere umfängt. 

Dieser Gott ist ihm so schön, dass er alle Hässlichkeit in dieser Welt übertrifft. Das ist, wie wenn uns im Kummer das Bild eines geliebten Menschen zum Lächeln bringt, wenn durch Tränen oder bedrückende Gedanken hindurch auf einmal alles aufhellt und man sich gewahr wird, wofür die Anstrengung und das Herzblut sind. Diese Freude ist kein Enthusiasmus und keine Feierlaune, sondern sie ist tief und erfüllend. Das meint Paulus mit der "Freude im Herrn". Enthusiasmus ist wunderbar, Feierstimmung ist wunderbar (beides in den Momenten, wo es hingehört), doch davon spricht Paulus an diesen Stellen nicht. Gottes Wort fordert nicht zum Enthusiasmus auf, angesichts von Bedrängnis und Leid. Gott fordert auch keine gute Laune, wenn man einen schlechten Tag hat, oder verklärte grinsende Gesichter, weil man eine christliche Gemeinde ist. Sondern er ruft unseren Blick auf sich, wie Jesus den Petrus auf dem stürmischen See zu sich rief. 

Nein, diese Freude ist nicht immerwährend und permanent. Sowas gibt es nicht, man lasse sich das nicht erzählen. All diese Dinge sind zur fortwährenden Erinnerung und Schule gedacht, deshalb sind sie uns aufgeschrieben worden. Aber erfüllend ist sie, diese Freude, und deshalb so gut zu erinnern, und ein Balsam der Seele, eine Arznei gegen den Trübsinn.




 

 

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