Nehmt nichts mit auf den Weg, oder: einfach nur ein Mensch


Der Evangelist Lukas berichtet davon, wie Jesus seine zwölf Jünger, die Apostel, losschickte, um das Reich Gottes zu verkünden und die Menschen gesund zu machen. Was er selbst tat, das sollten sie auch tun, und er sagt ihnen noch weiteres, bevor sie aufbrechen; dort heißt es: Nehmt nichts mit auf eurem Weg, weder Stab noch Tasche, weder Brot noch Geld, nicht einmal zwei Hemden als Wechselbekleidung! Wo ihr in ein Haus eingetreten seid, dort bleibt, bis ihr dann weiterzieht. Nimmt man euch nicht auf, dann verlasst eine solche Stadt und schüttelt euch den Staub von euren Füßen, als Zeichen gegen sie. So, schließt die Stelle, machten sich die Jünger auf den Weg und wanderten von Dorf zu Dorf, indem sie überall das Evangelium verkündeten und die Menschen heilten. (Lk 9,3-6)

Es stimmt immer wieder nachdenklich, wenn man sich Jesu Auftrag und Anweisung anschaut, weil es so schlicht und einfach neben diesem imposanten Bildnis steht, das einem in den Sinn kommt, wenn man an Christentum und Kirche denkt. Verkündet und handelt an den Menschen, sagt er nur, nichts anderes gibt er ihnen auf als das, was er selber tut: Verkünden und Heilen. Nichts von großen Gebäuden und Feiertagsdaten, nichts von dogmatischen Abhandlungen und Lagern, nichts von Weinsorten und Konfessionen, nichts von Einnahmen und Mitgliederzahlen. All diese Dinge haben ihren Platz in der Geschichte, aber der Blick auf diese Anfänge ist immer wieder wichtig. Der Dienst am Nächsten und die Predigt von einem Gott, den die Menschen nicht kennen, das ist der maßgebliche Gottesdienst. Der Nächste ist hier erstmal vor allem der, dem ich begegne, der, der gerade vor mir steht. Großangelegte Evangelisationsprojekte oder gar Kolonialisierung fremder Länder unter christlicher Flagge liegen hier noch in ferner Zukunft, Jesus schickt einfache Menschen los, mit nichts als Worten und helfenden Händen. Die jesuanische Botschaft ist eine Botschaft der Begegnung, das ist ihr wesentlicher Inhalt. Unwillige werden nicht zwangschristianisiert, sondern man lässt sie und klopft sich den Staub von den Füßen und zieht weiter. Die religiöse Aufdringlichkeit, die es bis heute überall gibt, findet sich dort in den Weisungen Jesu nicht. Gehe, sagt er, und wo die Tür dir offen ist, da kehre ein, solange es genehm ist, und wo sie verschlossen ist, da gehe weiter. 

Gehe, sagt er, und nehme nichts mit dir! Was heißt das? Was sind Stab und Tasche, Brot und Geld und Wechselkleidung? Es ist, für einen Wanderer auf längeren Strecken, das Minimum dessen, was er braucht. Der Wanderstab für den Weg, die Tasche, um Nahrung und Habe mitzuführen, das Brot als Wegzehrung und Geld für den Einkauf von neuem Proviant, zwei Hemden schlichtweg zum Wechseln. Ist das Symbolik oder hat das ganz praktische Hintergedanken? Jesus konnte beides gut. Wer ohne Hab und Gut unterwegs ist, muss öfters rasten und ist früher oder später auf andere Menschen angewiesen - er muss irgendwo einmal anklopfen. Gastfreundschaft aber war im damaligen Nahen Osten oberstes Gebot: man fand Einlass, wenn man irgendwo klopfte und man erzählte, wenn man sich irgendwo aufhielt; das war durchaus normal, ein Erbe der Nomadenzeit, wo Gastfreundschaft über Leben und Tod entschied, wo das gemeinsame Essen ein Band zwischen Menschen schnürte, was man im Orient bis heute so kennt und empfindet. Jesus und seine Freunde sind keine sesshaften Menschen, dementsprechend behandelt er sie auch nicht so, hat sie nie so behandelt; sie sind eine Gemeinschaft von Leuten, die unterwegs sind. Dieses Bewusstsein sollten wir uns immer wieder wachrufen. 

Ferner hat der, der ohne Hab und Gut auf dem Weg ist, nichts zu bieten. Er hat nichts zu bieten und nichts zu tauschen, er hat nur sich selbst und sein Wort, das er dem Gastgeber schenken kann, mehr nicht! Der Mensch, der nichts hat, ist manchmal sehr mächtig. Er kann mit nichts handeln, mit nichts feilschen, er kann nicht mit sich feilschen lassen, er kann im alltäglichen Spiel der Welt nicht mitmachen, unterliegt keinem Vergleich, sucht keinen Vorteil, sondern was er - einfach nur ein Mensch - zu geben hat, das Licht seines Glaubens und seine Gaben, das kann ihm keiner abkaufen oder rauben, er schenkt es frei heraus. So fühlen wir auch, dass jene Gaben, die so ganz aus dem Dasein geschenkt werden, die wertvollsten sind, und wissen - trotz unserer kapitalistischen Weltethik -, dass man zwar Abschlüsse und Ergebnisse in irgendeinem Raster vergüten kann, aber das, was wir Begabung nennen und dem Menschen so ganz selbst gehört, letztlich unbezahlbar ist. 

Es gibt in frommen Runden manchmal die Debatte, ob das nun bedeute, dass man als Christ so leben müsse, leben wie Bettelmönche. Dem ist nicht so. Zum einen ist viel Zeit vergangen und wir haben zahlreiche Orte und Stellen, an denen wir tätig werden können und müssen; zum anderen sendet auch Jesus dort nicht einfach Jeden, sondern seine zwölf Apostel. Es kommt nicht Jedem und Jeder das Gleiche zu, wie auch nicht alle die gleiche Begabung und die gleichen Talente haben. Viele, denen es gegeben ist, leben auch heute noch so. Man braucht die Wanderer genauso wie den Hausstand, die Gemeinde, die Verwaltung, die Finanzen, die Gremien, Konzepte und Projekte, alldas hat seinen, letztlich unbezahlbaren, Wert und seine Aufgabe. Was wir aber definitiv immer brauchen und wofür wir Sorge tragen müssen, ist diese Rückbesinnung auf den Anfang des Pfades, wo der Herr uns sagt: Geht, verkündet das Reich Gottes und heilt die Menschen! Zudem die Einsicht, dass wir eigentlich nichts haben, dass alldies hier Gaben und Geschenke sind, und wir nichts mitnehmen werden an Hab und Gut, sondern am Ende wie am Anfang einfach nur ein Mensch gewesen sind.


 

 

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