Der Weg

 Jesus spricht zu seinem Jünger Thomas: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich. (Joh 14,6)


Jesus als der "einzige Weg zu Gott" - eine Behauptung und Überzeugung, die bis heute Anstoß erregt und Diskussionen anheizt. Bejaht dies jemand, dann gibt es manchmal Empörung: Absolutheitsanspruch des Christentums, religiöse Überheblichkeit, Herabsetzung der Ungläubigen oder Andersgläubigen, vielleicht sogar nahe an geistiger Brandstiftung, man schaue auf die Resultate dieses Anspruchs in der Kirchengeschichte, und dergleichen. 

Verneint ein Christ dies und räumt ein, es gebe auch andere Wege zu Gott, so gilt das in manchen frommen Kreisen fast schon als Hochverrat: an der Bibel, am Glauben, an Jesus, an Gott selbst. Ein hitziges Thema, unter Christen selbst mehr als unter Nichtchristen. Vor allem: Was ist mit all den Menschen, die wirklich gute Dinge tun, die eine gute Gesinnung und Liebe zu anderen Menschen haben, die helfen, pflegen, trösten, aufbauen, den Schwachen beistehen und sich für sie einsetzen? Kann man ernsthaft (wenn man noch Sinn und Verstand hat) sagen, diese kämen nicht zu Gott? Sind sie nicht auch Nachfolger Jesu mit dem, was sie tun?

Was dann manche erwidern ist, dass man nicht durch Werke zu Gott gelangt. Dieser Satz ist dermaßen abgedroschen und seine Wiederholung macht ihn nicht besser. Besagte Menschen erwarten gar nicht, dass sie durch ihre guten Werke zu Gott kommen, sondern sie tun sie einfach aus Mitgefühl und Liebe. 

Nun, zur Frage: Gibt es Menschen, die Dinge tun, die im Sinne Jesu sind? Selbstverständlich gibt es die! Und viele tun es besser als wir Christen; daran können wir uns ein Beispiel nehmen. Die biblischen Schriften sagen an zahlreichen Stellen, dass Gott die Hingabe und die Taten dieser Menschen nicht übersehen und nicht vergessen wird; es sind so viele Bibelstellen, dass man sich fragt, wie Christen sowas überlesen können! Sind diese Menschen nun "Nachfolger Jesu"? Nein, das sind sie nicht. Jesus nannte als Nachfolge (verkürzt zusammengefasst) zwei Dinge:

1) die guten Werke. Jesus sagte nie, es sei egal, was man tue, man solle einfach nur "glauben"; an keiner Stelle sagt er sowas. Sondern Gedanken, Worte und Taten, alldas gehört zu einem Menschen dazu und zeigt seine Gesinnung. Lernt von mir, sagte er in seiner Bergpredigt, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. 

2) die Verkündigung des Evangeliums. Was er selbst getan hat, dazu hat er auch seine Nachfolger in die Welt geschickt, um den Menschen von Gott und Seiner Liebe zu erzählen. Dazu aber muss ein Mensch dies selbst glauben und für sich erkannt haben. Die Gleichung, die manche heute machen, Hilfprojekte seien selbst schon "das Evangelium", die geht nicht auf. 

Dazu können freilich noch andere Dinge ergänzt werden, und alles bindet Jesus an sich, indem er sagt: Wenn es um meines Namens willen geschieht.

Es wäre eine Vereinnahmung anderer, die sie nicht wünschen, wenn man ihnen sagt, dass sie ja "quasi Christen" seien. Ein Humanist, ein Jude, ein Buddhist oder ein Muslim möchten ihre Inhalte und Werke nicht christlich nennen, sondern humanistisch, jüdisch, buddhistisch oder muslimisch. Dass in alledem eine ähnliche und verwandte Ethik zu finden ist, ist eigentlich sehr logisch, wenn man darüber nachsinnt, kommt doch alles von ihm, dem Ewigen. Doch das wäre eine eigene Andacht wert. 

Was ist nun mit diesem Satz, mit diesem hohen Selbstanspruch: "Niemand kommt zu Gott als nur durch Jesus"? Dazu muss man schauen - und diese Sorgfalt muss bei solchen Texten sein - was dort steht: Niemand kommt zum Vater als nur durch mich. Die Erkenntnis von Gott als Vater kam durch den Sohn; das ist der Selbstanspruch dieses Jesus von Nazareth. Dieser Gott, der euch geschaffen hat, ist euer Vater und ihr seid seine Söhne und Töchter, und der Grund, warum ich euch das sagen kann ist: weil ich der Sohn bin! Und was entfremdet war in dieser Welt, was verwundet war, was zerbrochen und abgewendet war, ihr Menschen in dieser Welt, das ist versöhnt durch mich. Ich bin der Weg, ich bin die Versöhnung. Dafür gebe ich mein Leben hin ...

Jesus geht so weit, dass er sich vor Schriftgelehrte hinstellt, gläubige Menschen und Fachleute der heiligen Schriften, und ihnen sagt: Ihr kennt den Vater gar nicht! Ihr, die ihr den Menschen den Himmel öffnen solltet, ihr schließt ihn zu und legt den Menschen schwere und bedrückende Lasten auf die Schultern. Jetzt aber ist der Sohn hier und zeigt den Menschen den Vater, denn der Vater wird durch den Sohn erkannt. (Vgl. Joh 8,19; Lk 11,37-52)

Leider wiederholte sich diese Geschichte, wie es nunmal so Art und Weise der Menschen ist: Schriftgelehrte und Priester nahmen diesen und andere Sätze, machten ein Heiligtum draus, und sagten den Menschen: "Wenn du das nicht glaubst, dann fährst du in die Hölle!" Wieder öffneten die, deren Aufgabe es gewesen wäre, nicht den Himmel, sondern schlossen ihn zu und legten den Menschen schwere Lasten auf. Dementsprechend voll waren die Kirchen und das Volk war "christlich". Wenn man nämlich ansonsten hier hingerichtet wird und danach auf ewig in der Hölle brennt, überlegt man sich das zweimal, ob man Widerspruch äußert. Den Scheiterhaufen gibt es heute seitens der Christen nicht mehr, aber diese Gesinnung sehr wohl. Der Widerspruch dazu ist Jesus selbst. 

Ja, es ist der Selbstanspruch dieses Jesus, dass man nur durch ihn, den Sohn, zum Vater kommt. Wir wissen aber gar nicht, wie er diesen Anspruch geltend machen wird. Gedanken, Worte, Taten, Glauben und Hingabe, alldas wird von Gott angesehen, der in das Herz schaut, heißt es an unzähligen Stellen. Und die einen wussten nicht, dass sie ihm gedient haben, die anderen wussten nicht, dass sie ihn verachtet haben, heißt es in der Erzählung vom Weltgericht: Herr, wann sahen wir dich hungrig und gaben dir Essen? Oder durstig und gaben dir zu trinken? Wann sahen wir dich als Fremdling und nahmen dich auf? Oder nackt und bekleideten dich? Wann sahen wir dich krank oder im Gefängnis und kamen zu dir, pflegten und besuchten dich? ... Wann sahen wir dich so und taten dir nicht so?

Wahrlich, ich sage euch, was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Mt 25,31-46)

Manche werden sich vielleicht eines Tages sehr wundern, wie ihre eigene Beurteilung von Menschen war und wie Gottes Beurteilung ist. Im Text vom Weltgericht geht es nicht um Christen und Nichristen (Christen gab es damals gar nicht), sondern um Menschen. Ferner ist der Selbstanspruch Jesu nicht der Selbstanspruch einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, sondern allein der Selbstanspruch Jesu. Seine Nachfolger, die von ihm gehört haben, ihn und seine Worte kennen- und lieben gelernt haben, sollten wissen, dass es keinen Grund zur Überheblichkeit gibt, sondern sollen an allen anderen Menschen handeln, wie Jesus an uns gehandelt hat, und ihnen davon erzählen, um seines Namens willen.

 

Denn in keinem anderen ist die Rettung; denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem wir gerettet werden. (Apg 4,12)   

 

 

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