Man wird sich an sie erinnern!

Im Matthäusevangelium (Mt 26,6-13) wird berichtet, dass Jesus kurz vor seinem letzten Abendmahl mit den Jüngern, in den Ort Betanien ging und das Haus Simons des Aussätzigen besuchte. Dort hielten sie sich auf und saßen beisammen, als eine Frau dazukam und kostbares Salböl auf Jesu Kopf ausgoss. Die Jünger Jesu beschwerten sich über sie, nannten diese Geste eine Verschwendung, das teure Öl hätte gut verkauft und der Erlös den Armen gegeben werden können. Jesus widerspricht ihnen, sie sollten die Frau dafür nicht tadeln: Sie hat ein gutes Werk an mir getan, sagt er ihnen. Um arme Menschen habt ihr euch noch zur genüge zu kümmern, sie sind immer um euch. Ich aber bin nicht mehr lange bei euch, und was sie da getan hat, das hat sie zu meinem Begräbnis getan. Und wo auch immer in Zukunft das Evangelium gepredigt werden wird auf dieser Welt, da wird man sich auch an sie erinnern und an das, was sie getan hat!

Dass er bald verhaftet werden und sterben wird, hatte Jesus seinen Jüngern schon einige Male gesagt, aber das dringt nie so richtig zu ihnen durch, verständlicherweise. Jedesmal ist es, als würde er von irgendetwas anderem reden, als sei das irgendeine Metapher - wie der Tempel in Jerusalem, der abgerissen und wieder aufgebaut wird -; jedesmal ist ihnen (und auch uns Lesern) das seltsam, irgendwie weg-gerückt vom Alltag, "verklärt" nennen wir sowas. In normalen Gesprächen hat sowas nichts zu suchen, es befremdet alles und keiner kann auf solche Aussagen wirklich antworten. So ist es auch: meist antworten die Jünger darauf nicht, oder aber sie beschwichtigen oder geloben Treue und Verteidigung. Sie verstehen das nicht, und es kann ihnen kein Vorwurf deswegen gemacht werden, niemand hätte das verstanden. 

Niemand bis auf die Frau dort in der Geschichte? Das wissen wir nicht. Sie tut etwas und Jesus deutet es dann aus, wofür das war; ob sie das selber wusste, bleibt unklar. Salbung hatte damals zwei Bedeutungen: Pflege und Heilung oder Königswürde. Bis heute, wenn wir von Jesus dem "Christus" sprechen, dann sprechen wir von dem "Gesalbten" (maschiach/Messias), denn nichts anderes bedeutet dieser Titel. Gesalbt wurde bei Krankheit, als Medizin, zur Pflege, oder eben um die Königswürde zu verleihen. Wollte die Frau ihn nun pflegen, heilen, balsamieren oder seine Königswürde darstellen? Jesus nimmt es als Salbung zum Begräbnis. "Meine Zeit ist nahe", heißt es ein wenig später bei Matthäus. 

Jetzt sind wir hier noch zusammen, sagt er ihnen, jetzt haben wir uns noch; also lasst diese Frau das Kostbare, das sie hat, an mich verschwenden, weil sie mich liebt! Lasst sie alles verschwenden, lasst sie alles ausschütten! Lasst es zu meinem Begräbnis sein, weil ich sterben werde ... 



Der Einwand der Jünger, man hätte das Geld für das Öl als Almosen nutzen können, mag ganz edel gemeint sein (oder es mag einfach der Einwand von Männern gegen eine Frau gewesen sein); wie auch immer, manchmal gilt es zu erkennen, was gerade dran ist! Armut und Elend dieser Welt, hohe und edle Aufgaben und Projekte, wir werden sie immer haben. Doch wenn gerade die eigene Zeit dran ist, weil man krank liegt, weil man mit seinen geliebten Menschen zusammen ist, weil man sich selbst auf das vorbereiten muss, was vor einem liegt - dann muss manchmal dafür die kostbare Salbung verschwendet werden. Niemand kann sich immerfort nur für andere hergeben, das muss zum Kollaps führen. Es braucht die Zeiten, in denen man sich abwendet, um bei sich und den Seinen zu sein. Die Aufgabe, Gutes in dieser Welt zu tun, die läuft gewiss nicht davon! Wenn man sich die Quelle, aus der man schöpft, selbst verschließt, dann kann man daraus nicht mehr nehmen für den weiteren Weg. 

Selbstverständlich!, mag mancher denken. Ja? Und woher die ganzen Lebenshilfen, Coachings und Therapien für "Quality Time", weitere Termine und Listen für die ganzen Termine und Listen? Manchmal braucht es jemanden, der oder die in den Kreis tritt, in die Besprechungen, Planungen und Überlegungen, der oder die das angeregte Gespräch durch stille Handlungen unterbricht und alles Kostbare in diesem heiligen Moment ausschüttet. Hier und jetzt haben wir ihn, bald wird er uns verlassen. Und man möge sich daran erinnern.

 

  

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