Unterscheidung

 



Verehrte Freundin,

ich danke für das anspruchsvolle und interessante Gespräch. Wir sprachen über das Christentum, über die Philosophie, über Zen, den Buddhismus, die Bedeutung von Sprache, von Worten. Ich habe den Beitrag angeschaut, den Sie mir empfohlen haben, habe nachgesonnen und mir alldas hingelegt und es zerschnitten wie mit einer geschliffenen Klinge. Da Sie einen nach Erkenntnis strebenden, analytischen Geist haben, werden Sie verstehen und es vielleicht verzeihen. 

Ich kenne nun solche Beiträge und Sendungen, und auch das neue westliche Interesse am Buddhismus als Ersatzphilosophie und Lifestyle ist mir bekannt. Es lässt sich ja auch kaum übersehen, man kann in keinen Baumarkt, in kein Möbelgeschäft, in keine therapeutische Einrichtung mehr gehen, ohne dass einem dieses Dekor und diese Symbole allgegenwärtig sind; das ist genauso wie mit Yoga-Kursen, die sich längst etabliert haben. Die Zeiten haben sich geändert, enttäuscht und wie verwaist von den christlichen Lehrern, wendet man sich anderen Quellen zu und findet in den fernöstlichen Lehren Wesen mit zahlreichen Armen, die vielem die Hand reichen können, sich vielem anschließen können. Sie nehmen alles auf, unterschiedslos und gleichmütig, und verbinden sich auch mit den Wissenschaften wesentlich besser, die spirituelle Evolution neben der materialistischen Evolution; das passt vielen sehr gut. 

Dass es jesuitische Priester sind, die in den Zen-Buddhismus eintauchen und diesen auch maßgeblich hier im Westen etabliert haben, ist recht bekannt, denke ich. Die Jesuiten waren mit ihrer Mission sehr stark in China und Japan vertreten und wurden daher dort wesentlich geprägt. Wir sprachen über Ähnlichkeiten, Sie erwähnten Meister Eckhart und Teresa von Avilá beispielsweise, ich erwähnte allgemein die christliche Mystik, als wir über das Thema Stille sprachen.

Es ist aber tatsächlich - sinne ich darüber nach - mehr verwunderlich als einleuchtend und einander gleich, und ich kann mir kaum vorstellen, dass jene Priester der Unterschiede nicht gewahr sind, es sei denn, sie sind schon so sehr in Unterschiedslosigkeit und Gleichgültigkeit eingeübt, schon so sehr Tropfen im Ozean, dass alles nur noch schwimmt und sie auf keine Resonanz mehr treffen, solange sie nicht zum Grund dieses Meeres hinabtauchen. Ich möchte zum Grund tauchen.

Zunächst zu Äußerlichkeiten, die Fragen aufwerfen (immer vorausgesetzt, man ist Christ bzw. wir sprechen vom Christentum und der Gestalt der Kirche, denn davon sprachen wir ja). Die Einübung in Stille, die spirituelle Praxis, sagten Sie, sei wichtig und es gefalle Ihnen, dass Zen etwas Praktisches sei, ein Weg, eine Lebensführung. Diese Praxis eignen sich Kirchen und Klöster, wie ja auch der von Ihnen empfohlene Beitrag zeigt, zunehmend an, das ist in Mode, und da Zen so unterschiedslos ist, kann es mit allem korrespondieren, sich allem anschmiegen; und wenn Kritik erklingen sollte, kann man sagen, Zen sei ja "nichts". Zudem sprechen dann viele Christen, die man diesbezüglich hört, davon, dass man Vergleichbares ja eben in der christlichen Mystik habe. Sie erwähnen die christliche Mystik, praktizieren aber Zen-Buddhismus. So ist es übrigens auch mit allen jesuitischen Zen-Priestern, dessen Interviews man ja zahlreich im Netz schauen kann: es sind Jesuiten, es sind Priester, es sind Christen, sie sprechen aber vom Zen. Verzeihlich, werden sie ja in diesen Sendungen auch nur zum Zen gefragt, nicht etwa zum christlichen Glauben. 

Wird gefragt, wie sie das vereinbaren können - wird überhaupt ein Christ, der sich darin übt, gefragt, wie er das vereinbaren könne - dann wird geantwortet, dass das gar kein Problem sei, es seien zwei Wege aus West und Ost, die das gleiche Ziel verfolgen. Dass dies falsch ist, dazu komme ich gleich, stelle aber zunächst nochmal die Frage in den Raum, die ich Ihnen gegenüber ja bereits erwähnt hatte: Wozu bedient man sich des Zen, um eine Stille zu erreichen, die man im christlichen Glauben doch bereits hat? Wozu legt man Tatami-Matten aus und baut einen Altar mit Orchideen und Buddhastatue auf? Warum werden Menschen in christlichen Einrichtungen in Zazen geschult, anstatt aus dem Schatz dessen, was wir haben? In der empfohlenen Sendung wurde das auch kurz angesprochen: ob Zen, das Fernöstliche, das Exotische, dazu diene, das Christentum hierzulande wieder aufzupeppen. Der Jesuit verneinte die Frage knapp und das war`s: "Nein, darum gehe es nicht."

Doch, natürlich geht es darum. Denn im christlichen Glauben finden die Menschen oft diese Stille nicht mehr bzw. haben sie noch nie damit in Verbindung gebracht. Christentum ist Kirche und Sakralität, Dogma und Steifheit, so sind viele geschult, viele geprägt, und also kann locken, was man im eigenen Hause nicht zu finden meint. 

Interessant wäre die Frage an einen solchen Jesuiten, wie er den kleinen Altar auffasst, auf dem der Geist des Hauses weilt. Denn damit kommen wir dann zu den Unterschieden, die auch jeder Theologe anmerkt, der sich mal zu dem beliebten Thema "Christentum & Buddhismus" äußert, die dann aber scheinbar ohne wirkliche Konsequenz bleiben. Dieser Buddha, der auf dem kleinen Altar sitzt, stellt - das ist gemeinhin bekannt - den historischen Siddhartha Gotama, den Buddha, dar. Zu dieser Person nimmt man im Buddhismus seine Zuflucht, das ist Bestandteil des buddhistischen Glaubensbekenntnisses (Zuflucht zum Buddha, Zuflucht zum Dharma/ Lehre, Zuflucht zur Sangha/ Gemeinschaft). Was viele Westler nicht wissen, wenn sie den Buddhismus als tolerante Alternative zu den starren Religionen hernehmen, der Buddhismus hat ein Glaubensbekenntnis und eine ganz klare, hermetisch-geschlossene Lehre, die nur innerhalb dieser Hermetik funktioniert. Zuflucht bedeutet, dass dieser Buddha mit seiner Lehre den Pfad der Erlösung weist, denn der Buddhismus ist eine Erlösungslehre, undzwar eine missionarische, das heißt, diese Lehre soll verbreitet werden auf der Welt. Vor allem aber ist es eine Selbst-erlösungslehre und das Ziel des Pfades besteht im sogenannten Verlöschen (Nibbana/ Nirvana).

Nun mag das für Zen als westliche Lifestyle-Variante nicht mehr wirklich grundlegend sein, wie ja auch kaum jemand weiß, was Yoga ist oder was Halloween, aber da Sie eine Kennerin sind und man spätestens bei einem Priester Wissen über die geistigen Dinge voraussetzen darf, sei es hier behandelt. 

Das Ziel (und auch der "Gegenstand" der Anschauung) sind eben deutlich verschieden, sodass der Vergleich zur christlichen Mystik, der dazu so gerne angeführt wird, nicht trifft. Soll der Buddha ja derjenige gewesen sein, der "das Ziel trifft", der vollendete Bogenschütze, so treffen diese seine Schülerinnen und Schüler eben nicht, wenn sie ihre Pfeile auf die christliche Stille und Andacht abschießen. Schwierigkeiten wird ihnen das kaum bereiten, da ihre Lehrlinge sich der Sache gar nicht bewusst sind. Das Ziel der christlichen Erkenntnis ist nicht das Verlöschen, sondern die Erfüllung, nicht die Auflösung, sondern die Verbindung, nicht das Einssein von allen, sondern das Gegenüber.

Unterschiedslosigkeit und Gleich-Gültigkeit sind heute sehr beliebt und daher vermählt sich die buddhistische Lehre sehr gut diesem Zeitgeist. Wie Sie mir ja auch nahezubringen versuchten, alles sei Gott, was ich natürlich verwerfen muss, zumal es falsch ist und die uralte Regel immernoch gilt: es gibt Wahrheit und es gibt Lüge. Es ist nicht "alles" Gott, sondern Gott ist Gott, der Schöpfer aller Dinge, und wir Menschen sind Menschen, denen aus Gnade gegeben wird, Gott zu erkennen durch den Glauben. Ist alles Gott, ist alles Geist, wie ich Ihnen ja sagte, dann gibt es keine Erkenntnis, denn es gibt keinen Erkennenden. Ist der Erleuchtete ins Nirwana eingegangen und verlöscht, so ist er nicht ins Nirwana eingegangen, denn es ist keine Ichheit da, die diese Meisterschaft auszeichnet, die diesen Weg vollendet, diese Lehre verwirklicht, diese Wahrheit bestätigt, sondern, wie es heißt: Er ward Gerippe, er ward Staub, er verwehte im Gehag ... und muss - der hermetischen Logik nach - wiedergeboren werden, zumal im Buddhismus ja ohnehin das Wesen nur aus zusammengestauchten mentalen Prozessen besteht (anatta), die sich mit dem Tode lösen und mit der Reinkarnation wieder zusammenfügen, also kein Selbst ist, das etwas auf diesem langen Wege gewinnt oder verliert.

So macht es der wahre Lehrmeister aller Dinge, der Geist Gottes, dass er alle geschlossene Lehre sich selbst brechen lässt, sich selbst entzweien, sich selbst verwehen, sich selbst verlöschen, sich selbst gleich-gültigen. Denn die geschlossene Lehre der Menschen ist nichts anderes als der Versuch und das Begehren, Gott zu sein, was wir die erste Sünde und das Grundübel nennen. 

Auch deshalb kann vom gleichen Ziele keine Rede sein und kann sich Ihr Ausspruch "Alles ist Gott" eigentlich nicht aus dem Zen herleiten, denn der Buddhismus hat keinen Gott, er ist gottlos. Er kennt zahlreiche Geister und Götter zwar, die alle als Illusionen zu entlarven seien, aber dennoch in buddhistischen Völkern angebetet werden, ja, auch der Buddha selbst - obwohl ein Mensch - wird behandelt wie eine Gottheit, denn anders ist diese Praxis nicht zu nennen, ganz gleich, wie sie es bezeichnen. Gott aber, den Schöpfer und Baumeister der Himmel und der Erde, kennen sie nicht.

Sie sagten mir, ich würde Trennungen machen, die wahre Erkenntnis bestehe aber darin, dass die Trennungen und Widersprüche aufgehoben werden. Und wie ich Ihnen erwiderte: Natürlich trenne ich. Das erkennende Subjekt muss das Geschaute unterscheiden, sonst ist dort keine Erkenntnis und übrigens auch keine Objektivität. Es gibt keine Objektivität ohne Subjektivität. Davon abgesehen müssen wir natürlich fragen, ob wir noch von Christentum und Kirche sprechen, denn darum ging es ja ursprünglich. Denn die Auflösung der Widersprüche und die Gleichschaltung aller Dinge ist keine christliche Lehre. Es ist vielmehr das Wesen des Christentums vom ersten Tage an, ein Widerspruch in dieser Welt zu sein und ein Stein des Anstoßes. Nirgends und niemals wird in der Lehre Christi die Auflösung der Widersprüche gelehrt oder als erstrebenswert in Aussicht gestellt, vielmehr heißt es im Gegenteil, er sei gekommen, Zwietracht und das Schwert zu bringen, er bringe Unterscheidung, an ihm scheiden sich die Geister (wie man bis heute sieht) und er rufe auf den engen und steinigen Pfad.

Die christliche Lehre richtet sich auf eine Person (bzw. diese Person ist die Lehre) und fasst auch den Menschen als Person und Persönlichkeit auf, einander verschieden, einzigartig und eigen, dessen Schule und Vervollkommnung nicht darin bestehen, die Ichheit loszuwerden, sondern andere Personen und Lebewesen zu lieben und zu achten, die mit ihrer Eigenheit, ihren Stärken und Schwächen, ihren Schönheiten und Abgründen uns Bereicherung und Faszination wie auch Mühe und Widerspruch sind. Desgleichen Gott, unser Gegenüber (dessen "Personalität" Sie als Problem im westlichen Denken angesprochen haben), der sich uns zeigt als denkend, fühlend, redend, handelnd, lehrend, aufbauend, widersprechend, usw. So gibt es für uns die wahre Erkenntnis und Selbsterkenntnis nur aus der Gotteserkenntnis, und jeder bleibt das Wesen und die Person, die er oder sie sind. Die "unleiblichen Lehren" aber löschen die Person aus, was ja auch ihr erklärtes Ziel ist.

Die Leiblichkeit nämlich markiert eine weitere deutliche Differenz: im Buddhismus ist "alles Geist" und das Leibliche ist Erscheinung, Kind eines Irrtums. In der christlichen Lehre wird das Leibliche geehrt, wir sprechen von der Auferstehung des Leibes. Denn der Mensch ist maßgeblich auch ein leibliches Wesen, so hat Gott ihn ersehen, so hat er ihn gebildet, so hat er ihm Atem eingehaucht. Dieser Atem und dieses Bildnis sei ein Irrtum gewesen, sagt die buddhistische Lehre, und also wäre auch hierin zu fragen, was das Gemeinsame denn sein soll, wohin der gemeinsame Weg denn führen solle, wenn z.B. jesuitische Priester sagen, sie wollen Westen und Osten zusammenbringen. Dieser Leib, den Sie sehen und das Fleisch, das Sie auf den Knochen fühlen, ist wahr, Bestandteil des gesamten verflochtenen Systems, das der Mensch ist. Ich kenne aber jenes Verlangen, ganz Geist zu werden, nur noch Anschauung und geöffnetes, schauendes Auge. 

Der Mensch ist ein Relationswesen und er wird maßgeblich durch Resonanz geschult, durch Ichheit und Gegenüber, den Anderen und das Selbstsein ("Selbststand", wie Aristoteles es nannte). Wir Pflegekräfte wissen, dass Menschen so gelagert werden müssen, dass sie eine Grenze fühlen, eine Form, weil sonst ihr gesamtes Körperempfinden verschwimmt. Sie zerfließen, und dieses Gefühl ist kein schönes, kein erstrebenswertes, sondern äußerst unangenehm. Ebenso wissen wir aus neurologischen und psychischen Erkrankungen, die das Selbst ausufern, zerfließen oder depersonalisieren lassen, dass dies keineswegs eine bereichernde Geisteserfahrung- und verfassung ist. Vielmehr ist der Mensch in seiner stabilen Verfassung ein Beziehungssystem durch und durch, sowohl in sich selbst als auch gegenüber der Welt. Und der Buddha hat zwar Recht, dass die Urkrankheit des Menschenwesens Nichterkennen und Nichtwissen sind, aber Nichterkennen und Nichtwissen Gottes. Nicht Unterschiedslosigkeit und Beziehungslosigkeit sind das zu Suchende, sondern Unterscheidung und Beziehung. Denn Gott, der Vollendete, der Wahre, der Ewige, der Heilige, erhaben und barmherzig, wie er ist, hat mich zu einem Menschen gemacht, zu einem unterschiedenen Wesen, zu einem Eigenen, zu einem Freien, und hat in mir Licht entzündet, die Augen geöffnet und mich erkennen lassen. Und das Leid der Welt ist nicht der fehlende Gleichmut, sondern die fehlende Liebe, nicht die fehlende Allheit, sondern die fehlende Gotteserkenntnis. Daher, so glauben wir, hat er sich den Menschen offenbart, aufdass sie von ihm vernehmen, ihn erkennen und sich ihm zuwenden. 

Damit sind wir nun auch bei der größten Unterscheidung der Lehren, von denen wir handeln: in der buddhistischen Lehre nämlich verfolgt der Mensch den Pfad - nach dem Vorbild des Buddha - und wird göttlich bzw. überragt sogar alle Götter. Nach der christlichen Lehre hat kein Mensch jemals Gott und das Göttliche gesehen, sondern er hat sich den Menschen zu erkennen gegeben. Jener wollte nach oben in die Sphäre steigen, Dieser kam aus dem Himmel herab. Jener leistete, Dieser schenkte, Jener erreichte, Dieser erbarmte sich, Jener hängte sich an gar nichts, Dieser gab sich den Menschen hin.

Nun muss man sehen, dass es in aller Religion grundsätzlich zwei Wege gibt, nämlich entweder, sich selbst durch Meisterschaft zum Gott zu machen, oder aber die Gottheit durch Ritus und Kultus sich gewogen zu stimmen. Und zweifelsohne findet man diese beiden Richtungen auch in christlichen Strömungen, sodass der Einwand berechtigt wäre, das Christentum würde es doch genauso machen und dort sei doch kein Unterschied. Was soll man sagen?, diese Strömungen irren, meine ich, es zeigt aber, wie sehr diese beiden Gesinnungsarten der Religion und der menschlichen Natur eigen sind. Denn nicht ist es so, wie Sören Kierkegaard mal sagte, dass die Christenheit das Christentum abbildet. Weder wird der Mensch zu Gott (sondern Geschöpf bleibt Geschöpf, Geborenes bleibt Geborenes) noch wird Gott durch irgendeinen Kult bedient und bewogen, sondern allein unser Herz will er haben. Diese beiden irrigen Wege zu zerschlagen kam der Sohn Gottes, um den Menschen durch seine Lehre und sein Werk sowohl die Selbstüberhebung wie auch die Angst zu nehmen. Denn in ihm werden Gott und Mensch offenbar, und er ist unsere Gotteserkenntnis und unsere Selbsterkenntnis. Dieser Erkenntnis müssen die Selbstherrlichkeit und die Angst weichen, denn schaue ich mich selbst an, dann bin ich kein Gott und verlange auch nicht danach, einer zu werden, und sehe ich diesen Gott, den der Sohn uns gezeigt hat, so brauche ich keine Angst mehr vor ihm zu haben. Denn er ist sanftmütig, voller Liebe, Licht und Wahrheit. Wir aber sind Menschen und werden - einst in Vollkommenheit geschaffen - durch dieses Werk Gottes und die Schule des Heiligen Geistes wieder unserer wahren Natur bekanntgemacht. Und so weiß man hier sowohl alles, was uns zu wissen gegeben ist, als auch alles, was uns zu wissen verwehrt ist und ein Geheimnis bleibt. Denn das ist der Irrtum aller gottlosen Lehren und Ansinnen, nicht, dass sie über einige Dinge Wissen erlangen können durch Forschung und Disziplin, sondern dass sie nicht gewahr sind, was ihnen nicht zu wissen gegeben ist. Sie glauben, sie dürften alles wissen und könnten alles wissen, und je mehr sie auf die Flamme der Kerze starren, desto mehr schwärzt sich die Umgebung in ihrem Blickfeld. Die Kinder Gottes aber sind gerne Menschensöhne- und töchter, ist doch unser Herr und Erlöser einer von uns geworden aus reiner Liebe, und sowohl der Reichtum an Erkenntnis wie auch die Geheimnisse Gottes bewegen sie zu Dankbarkeit und Verehrung. Denn bliebe er nicht ein Geheimnis, so wäre er nicht Gott. So aber, da er immer wieder den Wissenshunger und die respektlose Erkenntnissucht mit Verblendung straft, wissen wir, dass er wahrhaftig Gott ist.

Zur Stille. Stille ist kein Selbstzweck, sondern Kind einer Beziehung, eines Verhältnisses, ebenso wie Vervollkommnung kein Selbstzweck sein kann, sondern aus dem Beziehungsverhältnis rührt. Aus der Quelle fließend versiegt kein Strom. Das ist eben auch der große Unterschied zwischen der christlichen Stille und beispielsweise der Meditation im Zen. Denn Letzteres will die Flamme löschen, Ersteres will sie nähren. Ersteres weiß aus langer Schule und Übung, dass man die Vollendung hienieden niemals ganz erreicht, sondern immer noch etwas bleibt, das erst in Gott vollendet wird, Letzteres bildet sich ein, hier bereits vollenden zu können, allem gelöst, allem erloschen zu sein, aber dennoch vorhanden in Fleisch und Blut. Die Stille der christlichen Lehre ist eine Stille zwischen zwei Liebenden, eine Stille zweier Einvernehmlicher, sich Verstehender, sich Kennender, sich Anziehender, sich Hingebender, die einander alle Eigenheit, alle Schönheit, alles Geheimnis, alle Dunkelheit und Tiefe durchschreiten gelernt, annehmen gelernt, begehren gelernt, lieben gelernt haben. Und da ist nichts Schöneres. 

Daher fragte ich, was man denn in christlichen Klöstern oder Einrichtungen mit dem Zen wolle, nach einer Stille suchend, die man doch jederzeit haben kann in Gott? Was bedient man sich dieses Kleides, um sich attraktiver zu machen, weil man sonst nichts mehr zu geben hat?

Dies also zu Ihrer Frage, ob ich das kenne und wie ich es sehe. Ich bedarf dessen nicht. Und Sie bräuchten es auch nicht. Sie bräuchten all diese Studien nicht, um etwas über die Wahrheit zu erfahren, sondern Sie könnten sich, in der Verbindung mit Gott, einfach aus Interesse mit alledem befassen, was es in dieser seiner Welt gibt, um über den Menschen dazuzulernen. Denn alldas lehrt uns etwas über die Verfassung, den Geist und die Seele des Menschen. Über Gott aber lehrt uns der göttliche Geist.

Sie könnten einfach ganz Sie selbst sein. Sie brauchen sich nicht loszuwerden, Sie brauchen nicht im Abstrakten zu verlöschen, Sie brauchen nicht mit der Last zu leben, alles Schicksal gehe auf Ihr Konto und Sie müssten wieder und wieder geboren werden und dieses Gefecht hier bis zur vollkommenen Erschöpfung wiederholen. Sie sind von einer Liebe besehen, die Sie nicht loswerden, Sie nicht erlöschen, Sie nicht erschöpfen will, sondern Sie finden, Sie entfachen und Sie erheben will. Gott ist Liebe (1. Joh 4,16).

Es bleibt mir noch zu sagen, alldies hier bezieht sich auf Inhalte zweier Lehren, soweit ich das vermag. Es bezieht sich nicht auf das gute Herz, auf die geübte Nächstenliebe von Menschen, vor denen wir nur allzuoft beschämt niederblicken müssten, weil sie tun, was wir sollen.

Seien Sie gesegnet.    



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