Camus und ich - Ich und Camus

 Als Jugendlicher hatte ich Albert Camus für mich entdeckt und er hat mich viele Jahre begleitet. Der Fremde, Die Pest, Der Fall, Der erste Mensch, Der Mythos des Sisyphos, Der Mensch in der Revolte, Der glückliche Tod, alles durch. Für den "Trotz-Atheismus", den Jugendliche manchmal ja haben, war Camus genau richtig. Das Leben mit jeder Faser auszuloten, dieser Widerspruch gegen das Schicksal und die eigene Verlorenheit, obgleich man weiß, dass diese ganze Leidenschaftlichkeit ins Nichts läuft, das gefiel mir. Der mediterrane Genuss am Leben, an den Frauen, am Körperlichen, an sich selbst, als Widerstand gegen das Absurde, das gefiel mir, obgleich ich so gar nicht war, oder wohl, weil ich so gar nicht war.

 Existentialist bin ich eigentlich geblieben. Später versteht man mehr, bilde ich mir zumindest ein. Der Widerspruch gegen das Schicksal, gegen den Tod, und zugleich die Hingabe an das Ganze, an das Absolute, an die Quelle - an das, was Camus den "unbesiegbaren Sommer in sich" nennt - das trifft sich sehr mit der christlichen Lehre, zumindest mit meiner Auffassung davon.

  Ein "christlicher Camus"? Für mich geht das. Für mich geht das durchaus, genauso wie ich einen "christlichen Tschechow" bei mir im Regal stehen habe. Das liegt aber nicht daran, dass ich sie vereinnahme, sie assimiliere (ich hasse diese christliche Vereinnahmung, die immer zu jedem ungefragt "Wir alle" sagt), sondern es liegt daran, dass ich diesen atheistischen Abgrund anders auffasse, es liegt daran, dass ich "Christentum" anders auffasse. Ich habe einfach keinen anderen Begriff zur Verfügung; Begriffsschöpfungen verwirren die Leute nur. Meine Philosophie, das trifft es letztlich wohl am besten. Es ist ohnehin sehr oft so, dass sich für mich Dinge verbinden, die man vielleicht weit voneinander entfernt glaubte. Als Jugendlicher sieht man das nicht so deutlich. Da ist man gegen Religion und gegen Gott. Das ist auch eine Art Abnabelungsprozess vom Elternhaus und dem Weltgebäude, welches das bisherige Leben maßgeblich geprägt hat. Mit den Jahren und der Erfahrung verflechten sich die Dinge immer mehr, werden zu einem Gewebe, und das macht vieles auf heilsame Weise obsolet.

 Camus habe ich nun, seit Beginn der Corona-Pandemie, für mich wiederentdeckt. Ich habe Die Pest aus dem Schrank geholt, schon etwas vergilbt, und sehe diesen Spiegel, den das Buch vorhält, diese Ähnlichkeiten, obgleich wir nichtmal annähernd die Pest haben. Aber diese Haltung, die die Hauptfigur in sich trägt, die mache ich in mir selbst auch aus und begehre sie zu bewahren.

 

 

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