Vom Neubeginn

Wieder ein Jahreswechsel. "So schnell vergeht die Zeit", sagen wir immer. Wie wird es wohl werden, das neue Jahr, was wird es bringen? 

Meistens ist es ja so am ersten Januar: man wacht auf, mehr oder weniger müde, mehr oder weniger verkatert vielleicht, und man wird im Spiegel im Badezimmer in dasselbe Gesicht blicken. Von gestern auf heute haben wir uns zugeprostet, uns Glückwünsche ausgesprochen, uns Segen gewünscht, haben uns umarmt und geküsst, haben Vorsätze gefasst ... Und nun ist alles eigentlich wie immer, das Leben geht ungehemmt weiter und der große Neubeginn, den wir vor einigen Stunden gefeiert und gefühlt haben, scheint mit der Nacht vergangen zu sein.

Dieses ganz "all-tägliche" Leben, das weitergeht, dieses gleiche Gesicht im Spiegel, sie bleiben uns treu, und auch im Weltgeschehen, in den Nachrichten und Zeitungen ändert sich wegen des Jahreswechsels nichts - wo gerade Frieden herrscht, dort herrscht Frieden, wo Unfriede und Krieg wüten, dort wüten sie immernoch, wo Katastrophen sind, dort sind Katastrophen, und wo angenehmes Wetter erfreut, dort erfreut angenehmes Wetter, die Gesunden sind gesund, die Kranken sind krank geblieben ... Das Leben nimmt alles, was es beinhaltet, schonungslos mit ins neue Jahr.

Die Zeit um den Jahreswechsel lädt dazu ein, darüber nachzusinnen, was Neubeginn bedeutet. Der Mensch, der dort in den Spiegel blickt, betrachtet nicht nur einfach dasselbe Gesicht wie vor einigen Stunden, sondern er betrachtet zugleich all das Leben, all die Jahre, all die Erfahrungen, Begegnungen und Beziehungen, die ihn zu dem gemacht haben, was er sieht. Gleichsam hat er ein Geheimnis vor sich, der Weg, der vor ihm liegt, der Mensch, zu dem er noch werden wird, das, was unsichtbar ist. Und auch im Weltgeschehen, in den Nachrichten und Zeitungen sieht der Mensch das verwobene, so gewordene Bild der Welt, und zugleich atmet und lebt darin schon all das, was der Lauf der Geschichte noch offenbaren wird. 

Neubeginn ist viel mehr als ein gefasster und umgesetzter Vorsatz. Neubeginn braucht Wachstum, er braucht Glaube und Vertrauen in das, was die Augen nicht sehen. Dieser Glaube ist die Kraft, die all das verwandeln kann, was wir (scheinbar so gleich und unverändert) im Spiegel und in der Welt betrachten. Er ist das Licht, das, möge es einmal entzündet sein, aus unserem Innern hervorleuchtet, wie müde wir vielleicht auch gerade in den Spiegel schauen.

Mögen unsere Sinne und Herzen dafür verändert werden. Denn dieser Glaube erscheint ebensowenig einfach als Wert für sich allein, wie sich auch Neubeginn nicht einfach einstellt und dann da ist. Glaube lebt aus der Beziehung zu Gott, dem Ewigen. Er entzündet den Glauben in unseren Herzen, er schuf die Welt und uns, er kennt ihre ganze Geschichte wie auch unsere, er tat das, was Neubeginn wirklich bedeutet: inmitten dieser Welt, inmitten des Lebens von Menschen ließ er den Himmel anbrechen, wie Jesus sagte: Kehrt um, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen! (Mt 4,17)

Die Umkehr zu Gott, das bedeutet, sein Herz wieder auf Gott auszurichten, sein ganzes Dasein und das Weltgeschehen wieder in der Beziehung zu Gott zu begreifen. Das Reich der Himmel inmitten dieser Welt bedeutet die Botschaft, dass Gott uns liebt und wir seine Söhne und Töchter sind, der er uns ja geschaffen hat. Diesen "Himmel" öffnet er in unseren Herzen, wenn wir glauben, und hat uns anvertraut, ihn in dieser Welt zu leben und zu verkünden, bis er ihn eines Tages vollenden wird.

Mögen wir immer wieder umkehren zu Gott und als Zeichen dieses Neubeginns leben und wirken, im neuen Jahr, in dieser Welt, für die Menschen. Möge das für uns in dieser Zeit des Jahreswechsels nachdenkenswert und erstrebenswert sein und unser Herzensanliegen über allen guten Vorsätzen, die man vielleicht fasst; wenn wir uns zuprosten, wenn wir uns Glückwünsche aussprechen, uns Segen wünschen, uns umarmen und küssen. 

Auf ein neues Jahr!






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