Das Haus

Er verließ das Haus im Sommer. Nicht im Winter, wie es Menschen oft taten, wenn durch Witterungen das Dach undicht geworden ist oder die Fenster gebrochen oder das Holz faul. Und dann ziehen sie aus, weil es ihnen keine Sicherheit mehr gewährt, keine Trockenheit, keine Wärme, keine Heimstätte.
 Es war ein gutes Haus. Solide und auf festem Grund gebaut, in mühsamer und liebevoller Arbeit errichtet, gepflegt und ausgebessert an Stellen, denen die Zeit und die Natur zugesetzt hatte. Es lag, von hohen Tannen umhegt, am Rande des Waldes, märchenhaft, geborgen und dunkel.
 Innen, in den schlichten Räumen, hingen viele Bilder von ihm, die er in langen Nächten gemalt hatte; seine Art, die Dinge zu sehen, seine Art, die Dinge zu verstehen, seine Art, sein Haus einzurichten - immerhin war es immer seine Art gewesen. Das alles ließ er dort. Er war dessen überdrüssig. Es ist zuweilen der Überdruss, der den Blick auf das Wesentliche lenkt. Er nahm nur mit, was er zum Leben brauchte, warf es sich über die Schulter, ging und blickte dankbar auf verbrachte Jahre zurück. Von den Tannen bedrängtes Sonnenlicht glitzerte schwach durch die Fenster in den dunklen Raum.
 Der schmale Pfad war kurz, der aus dem Wald führte, dann lag eine große Wiese vor ihm ausgebreitet unter offenem Himmel. Und er stand endlich wieder staunend da, angesichts des weiten Blickes und des schier endlosen Firmaments, fasziniert und demütig, erhoben und so klein. Und er malte sich den Anfang aller Wege aus, zu den längst vergangenen Zeiten: Vielleicht hatte da nur einer gestanden, über das weite Land geschaut und die wilde Schönheit, hatte dem Wind gelauscht, der ihm Geräusche zutrug wie die zahlreichen Düfte, hatte ans Himmelszelt geblickt und erkannt, dass ein ewiger Geist dies alles zusammengeflochten hat, der uns leitet und uns Wege weist in der Dunkelheit, auf den Meeren und auf unwegsamen Pfaden, wie sie das Leben zuweilen vorgibt. Vater und Mutter aller Dinge und allen Lebens, untrügliche Ethik, Lebensatem aller Wesen, das Gute, Schöne und Wahre - von so vielen ersehnt, von so vielen gesucht, von so vielen verkannt - Herr über Leben und Tod, über Werden und Vergehen, Vergehen und Werden.
 Und er ging und kam nicht wieder.

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