Regen

Seit Tagen schüttete sich der Himmel aus. Die Ampel, an der er wartete, war ein verquollener roter Fleck hinter einer Wasserwand, die, von den Scheibenwischern zur Seite geschoben, direkt wieder nachgoss. Innen beschlug es ständig, es war wie in einem Gewächshaus, und er nickte nur stirnrunzelnd, wenn manche der Patienten, zu denen er fuhr, ihm sagten, dass ihnen kühl sei, während ihm der Schweiß im Kragen staute und ihm die Lippen salzte.
 Es dauerte und er geriet in Träumereien, stellte dann den Motor ab, löste den Gurt, stieg aus, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, breitete die Arme und ließ den Regen auf sich niedergehen. Nahezu unmittelbar war er vollkommen durchnässt. Und in Sekunden der Besinnung fragte er sich, was er da eigentlich mache, wissend, dass es bereits zu spät war, denn so eine Pose musste man halten und konnte sie nicht abbrechen. Die hübsche Frau im Wagen hinter ihm, die er im Rückspiegel zwischen den Wasserschwällen gesehen hatte, wird wohl denken, dass er sie nicht mehr alle habe, aber das war nun auch egal; die Unbeschwertheit folgte der Haltung nach und bald vergaß er alles, als würde es vom Regen weggespült.
 Dann hörte er eine Tür sich öffnen und zuschlagen, und sie würde ihn gleich fragen, ob er nun fertig sei mit seinem Was-auch-immer und endlich weiterfahre, oder dergleichen. Doch sie sagte nichts, sondern er vernahm nur plätschernde Schritte neben sich und fühlte, nur einen Hauch, eine Hand die seine streifen und bleiben, Millimeter neben seiner. Sie stand da auch so.
 "Das habe ich als Kind gemacht", sagte er, "In der Schule standen wir im überdachten Gang zur Aula und haben gewartet, dass die Lehrerin aufschließt. Es hat geschüttet und ich bin auf den Schulhof gerannt und habe die Arme ausgebreitet und mich vollregnen lassen ... und manche haben es nachgemacht und die Lehrerin hat gerufen, wir sollten zurückkommen; nasse Kleidung, Erkältung, blabla, und so weiter. Und wir haben da gestanden, alles ignoriert und es genossen ... Warum macht man das später nicht mehr?"
 Sie sagte nichts.
 Sie wird nichts sagen, dachte er.
 Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der verquollene rote Fleck wurde gelb, dann grün. Und er fuhr weiter.

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