Der verborgene Schatz



Ich freue mich über dein Wort wie einer, der große Beute macht. (Psalm 119,162)

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. (Matthäus 13,44)

 

Wenn Jesus vom Himmelreich (oder auch "Reich Gottes") sprach, dann benutzte er Gleichnisse, um den Menschen in einfacher und alltäglicher Weise die Bedeutung dieses Himmelreiches nahezubringen. So auch hier in dieser Losung aus dem Matthäusevangelium. Das Himmelreich sei wie ein im Ackerboden verborgener Schatz, und der Mensch, der ihn findet, freut sich sehr und setzt alles daran, um diesen Acker zu kaufen.

Dieser Schatz ist in dem Gleichnis, wie das Himmelreich in dieser Welt: er gehört nicht natürlicherweise dort in den Ackerboden, wächst nicht aus der Erde hervor, sondern wurde dort hinterlassen und verborgen, bis ihn jemand findet. Ebenso ist das Reich Gottes nicht von dieser Welt, wie Jesus auch an anderer Stelle sagte (Joh 18,36). Es geht nicht natürlicherweise aus den Menschen hervor oder wird von ihnen konstruiert. Immer wieder haben Menschen und Gesellschaften versucht - ob unter politischer, humanistischer oder religiöser Flagge - ein Friedensreich aufzubauen: es gelingt ihnen nie. Das Himmelreich kommt von Gott und ist als etwas in dieser Welt verborgen worden, was der Mensch finden soll. 

Letztlich spricht Jesus hier von sich selbst, mit dem das "Reich Gottes nahe herbeigekommen" sei (Mt 4,14) und der mit seinen Worten, seinem Handeln und seinem ganzen Leben aufruft, zu ihm zu kommen und ihn zu finden wie einen verborgenen Schatz. Immer wieder wird das Thema in den Evangelien, sowohl gegenüber dem einfachen Volk wie auch gegenüber den Schriftgelehrten, ob sie in ihm den entdecken, der von Gott her zu ihnen kommt und von dem in den heiligen Schriften geschrieben wurde, dass er kommen und das Reich Gottes bringen werde.

Der Mensch kann sich das nicht einfach nehmen und mit der Beute davongehen, sondern uns wird die Frage gestellt, was wir zu geben bereit sind: Wenn du aber vollkommen sein willst, so verkaufe alles, was du hast, und gebe es den Armen, und komm und folge mir nach!, sagt Jesus dem reichen Jüngling, der ihn fragte, wie er das Himmelreich gewinnen könne (Mk 10,17-27).

Das tut der Mensch in dem Gleichnis hier: er verkauft alles, was er hat und gibt sein ganzes altes Leben weg, um diesen Acker zu kaufen. Ihm ist es dieses Risiko wert, allein wegen dem, was er dort entdeckt hat. Der Besitz eines Menschen, ob groß oder klein, ist in diesen Gleichnissen und Geschichten immer ein Bild dafür, was uns noch im alten Leben an Ort und Stelle hält, was wir hinterlegt haben und nicht loslassen wollen.

Jesus unterscheidet sich in diesem Anspruch, den er immer wieder erhebt (direkt oder metaphorisch), von anderen Lehrern der damaligen Zeit. Es war üblich, bei mehreren Lehrern und Rabbinern in die Schule zu gehen, um möglichst viele verschiedene Sichtweisen und Impulse kennenzulernen und zu studieren - eine Praxis, die wir heute auch sehr begrüßen und unterstützen. Wenn man die Möglichkeit und die Mittel hat, an verschiedenen Orten und bei verschiedenen Leuten zu lernen, vielleicht sogar im Ausland, dann würden sicher viele raten, diese Chancen zu ergreifen. Doch gleichzeitig, trotz der Fülle an interessanten Personen und Inspirationen, wird man vielleicht den einen Lehrer, die eine Lehrerin auf diesem Weg kennenlernen, der oder die es einem angetan hat, die eine Person, die einen geprägt hat wie niemand sonst, die stets in den Gedanken wiederkehrt, dessen Stimme man hört, die bei einem bleibt und bei der man bleibt, wo auch immer man hingeht.

Und so trat Jesus auf: Bin ich das für dich, dieser eine, den du "mein Lehrer" nennst? Hast du mich gefunden und gibst alles, um diesen Schatz zu bekommen und zu bewahren? Das fragte er damals die Menschen, in Gleichnissen oder direkten Reden; das fragte er die Gelehrten, deren Aufgabe es war, in den Schriften zu forschen und den Menschen die Religion zu lehren; das fragt er uns bis heute.

Das Reich Gottes, das mit Jesus gekommen ist, muss man entdecken, man muss es finden, denn es ist verborgen, es steht nicht einfach klar vor Augen. Es ist kein Land, in das man einreisen kann, keine Theorie, die man studieren kann und kein Verein, dem man beitreten kann. Es ist eine Person, der man begegnen und die man kennenlernen kann. Und in der Beziehung zu dieser Person wird das Himmelreich offenbar und lebendig, und wir gewinnen ungleich mehr als das, was wir gegeben haben.

Amen



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