Alles, was wir geben müssen

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind. (Rö 8,28)

Prüft aber alles und das Gute behaltet. (1. Thess 5,21)


Der "Sinn des Ganzen", das beschäftigt viele Menschen seit jeher. Findet man nicht seinen Platz im Weltgefüge, seine Rolle in der Weltordnung, dann wird man zuweilen ängstlich oder gar panisch. Das interessiert freilich erst dann, wenn die Weltordnung erschüttert wird; ansonsten kann man sich getrost um seinen eigenen kleinen Kosmos kümmern und alle Dinge, die einem zukommen, sind ein selbstverständliches Anrecht, für das man nicht zu danken hat, sondern das man gegebenenfalls per Protest und Berufung auf die Rechte einzufordern hat.
 Problematisch wird es, wenn man einsieht, dass diese Weltordnung selbst gar keinen Sinn beherbergt. Dann werden die Gemüter nervös und gehen auf die Suche nach Antworten. Erfahrungen wie die aktuelle Pandemie zeigen einfach nur das, was ist: eine unvollkommene Welt, in der uns vieles von dem, was wir zu besitzen meinen, gar nicht gehört, sondern eine Gnade ist. Das genügt vielen aber nicht und es hat nicht lange gedauert, bis die Welterklärer aus dem Boden schossen wie Pilze im Schatten der Bäume. Sündenböcke sind unabdingbar in solchen Zeiten, sonst kommt der Mensch nicht klar!
 Und so sieht man derzeit unzählige Menschen sich im Netz auslassen - mehr als ohnehin schon - die die Machenschaften der Weltherrscher aufdecken. Selbst anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Psychiater oder Publizisten, die ohne ihre Bühne und ohne ihr Publikum langsam ganz kribbelig werden, die wahren Opfer der Krankheit, aber einer anderen. Auch die Fülle an Experten für Virologie und Infektionslehre ist erstaunlich; das wusste tatsächlich niemand.
 Es wäre vielleicht sinnvoll, sich durch offizielle Behörden und Institute informieren zu lassen, statt durch Youtube-Videos von Privatpersonen. Sofern, wie ja manche glauben, die offiziellen Stellen alle lügen und verschworen sind, weiß ich nicht, wie man darauf kommt, dass irgendein privater Youtuber vertrauenswürdiger sei. Doch diese Psychologie funktioniert seit der Steinzeit, genauso wie der Instinkt, der Menschen zu Hamsterkäufen antreibt. Man kann darüber Witze machen, aber eigentlich ist es sehr bitter.
 Auch aus meinen (aus christlichen) Reihen ließen die Aufklärer nicht lange auf sich warten. Mission auf dem Rücken der Seuche und des Weltübels, das wusste man schon zu Zeiten der Pest zu schätzen. Bezeichnend ist eine Illustration, auf der zwei Infostände abgebildet sind: über dem einen steht geschrieben "Corona virus is coming! How to be safe ..." (und eine lange Menschenschlange davor), über dem anderen "Jesus is coming! How to be saved ..." (und niemand steht dort an) - Das bedeutet, Jesus sei ein Virus, vor dem oder weswegen es sich zu schützen gilt; das mag so manchem nicht wirklich bewusst sein, ist aber das Problem, wenn man Schlagworte postet. Auch musste die Frage geklärt werden, ob das Virus eine Strafe Gottes sei, ebenfalls ein Klassiker. Auch hier - wenn man den "Sinn des Ganzen" fordert und "Gott einen Plan für Dein Leben" hat - unabdingbar, dies klar zu haben. Etwas nicht zu wissen, ist für viele unerträglich, seien es Gläubige oder Ungläubige.
 Das Virus ist eine Regung der Natur, wie vieles andere auch. Dass dies uns Menschen ein Spiegel sein kann, wie Blut im Wasser des Nils bei Mose und den Ägyptern oder wie die Verwahrlosung eines Landes unter korrupter Herrschaft, ja, das ist eine Frage der Einsicht. Wir sind es, die die Welt verseuchen. Erklärt man diese Natur zu Gott, wie es ja einige tun, dann ist es die Strafe dieses Gottes; eine Gottheit, für die wir nur eine Etappe unter den Arten dieser Erde sind, bis wir uns ausrotten.
 Der Gott des Kausalzusammenhangs hat sich zwar etabliert - sei es bei Donald Trump, Paula White und anderen Irrlichtern, die sich ihren Wohlstand und ihre Wählerstimmen herbeibeten, sei es bei Kreationisten, die die Genesis als naturwissenschaftlichen Bericht beweisen wollen, sei es bei jenen, die einfach nur die "Gottheit Natur" den Bestand selektieren sehen - doch braucht man diesen Gott ja nicht zu ehren, wenn man weiß, an wen man glaubt: Der Gott, der mit uns an den Betten gesessen hat, an denen wir saßen, die Hände gehalten, die wir hielten, den Atem aufgenommen, den wir haben vergehen sehen, der die Heimat Seiner Kinder ist. Der alldas auch gelitten und Sich Selbst hingegeben hat, um uns zu erlösen.
 Und der "Sinn" ist, wie ja ebenfalls viele gemerkt haben, das zu tun, was zu tun ist, einander zu helfen, sich in einer Schicksalsgemeinschaft zu begreifen, endlich wieder richtig miteinander zu sprechen, die Erfahrung von Natur, frischer Luft und Kontakten zu anderen als etwas sehr wertvolles wieder schätzen zu lernen und sich wieder mit der eigenen Vergänglichkeit zu befassen; da sind so viele wunderbare Beispiele und Vorbilder an Nächstenliebe und Hingabe in unserer Gesellschaft, die den Irrsinn glücklicherweise weit überwiegen: Besuchsdienste, Einkaufsangebote, kleine Konzerte, Telefonseelsorge, Kinderbetreuung, Musik, Spiele und Scherze zur Ablenkung vom tristen Alltag ...
 Besonnen zu bleiben und sich nicht beirren zu lassen, weder durch Angst, Hysterie, noch durch Rede und Lehre, Meinungen oder Maßnahmen, das ist die Aufgabe derer, die Gott lieben. Dem Pfad zu folgen, der uns gewiesen ist, anderen Trost und Beistand zu sein, und alles zu geben, was wir geben müssen.


Der Herr ist mein Hirte
mir wird nichts mangeln
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zu frischem Wasser
Er erquicket meine Seele
Er führet mich auf rechter Straße um Seines Namens willen
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück
denn du bist bei mir
dein Stecken und Stab trösten mich
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang
und ich werde bleiben im Hause des Herrn
immerdar.
(Psalm 23)

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